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Gewerbliche Immobilienfinanzierung in der Krise: Warum Non-Performing Loans den Markt bedrohen
Die gewerbliche Immobilienfinanzierung in Deutschland steht an einem kritischen Wendepunkt. Über viele Jahre hinweg war sie geprägt von stabilen Wachstumsraten, attraktiven Finanzierungsbedingungen und einer hohen Nachfrage nach Bürogebäuden, Einzelhandelsflächen und Logistikimmobilien. Doch seit 2022 haben sich die Rahmenbedingungen dramatisch verändert.
Die Europäische Zentralbank (EZB) reagierte auf die massiv gestiegene Inflation mit deutlichen Zinserhöhungen, wodurch die Finanzierungskosten sprunghaft angestiegen sind. Gleichzeitig haben die Nachwirkungen der COVID-19-Pandemie und die geopolitischen Verwerfungen durch den Ukraine-Krieg zu einer Verlangsamung des Transaktionsmarktes geführt. Besonders im Fokus steht der Anstieg der sogenannten Non-Performing Loans (NPLs) – notleidende Kredite, die von Kreditnehmern nicht mehr bedient werden.
Während Wohnimmobilien nach wie vor eine gewisse Stabilität aufweisen, zeigt sich im Bereich der gewerblichen Immobilien ein alarmierendes Bild. Büros leiden unter dem Trend zum Homeoffice, Einzelhandelsimmobilien kämpfen mit den Auswirkungen des Onlinehandels, und Projektentwickler sehen sich steigenden Baukosten und stagnierenden Exit-Optionen gegenüber.
Diese Entwicklungen werfen die Frage auf, ob der deutsche Markt auf eine neue Kreditkrise zusteuert – vergleichbar mit der Finanzkrise 2007/2008. Doch inmitten aller Risiken ergeben sich auch Chancen für Investoren, Banken und Marktteilnehmer, die die Dynamik verstehen und strategisch nutzen wollen.
Definition und Bedeutung von Non-Performing Loans (NPLs)
Ein Non-Performing Loan (NPL) bezeichnet einen Kredit, dessen Zins- oder Tilgungszahlungen seit mehr als 90 Tagen ausbleiben oder bei dem die Rückzahlung unwahrscheinlich geworden ist. Solche Kredite stellen für Banken ein erhebliches Risiko dar, da sie das Eigenkapital belasten und die Bilanzqualität verschlechtern.
In der gewerblichen Immobilienfinanzierung entstehen NPLs vor allem dann, wenn Immobilienwerte sinken, während gleichzeitig die Loan-to-Value-Ratio (LTV) steigt. Das bedeutet, dass der ausstehende Kredit im Verhältnis zum Immobilienwert zu hoch ist. Besonders problematisch sind Covenant-Verletzungen, bei denen festgelegte Schwellenwerte überschritten werden und Kreditnehmer zusätzliches Eigenkapital nachschießen müssten – was in der aktuellen Lage oft nicht möglich ist.
Die Relevanz der NPLs geht jedoch über die Banken hinaus. Sie wirken sich unmittelbar auf Investoren, Projektentwickler, Bauträger und letztlich auch auf die gesamte Volkswirtschaft aus. Ein starker Anstieg kann den Transaktionsmarkt lähmen, die Liquidität einschränken und die Stabilität des Immobiliensektors gefährden.
Alarmierender Anstieg der NPLs in Deutschland
Aktuelle Prognosen zeigen, dass das Volumen der NPLs in Deutschland zwischen 2024 und 2025 deutlich steigen wird. Laut einer Analyse der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) ist das deutsche NPL-Volumen bereits von 31 Milliarden Euro im September 2022 auf 34 Milliarden Euro im September 2023 gestiegen – ein Zuwachs von 9,7 %.
Besonders stark betroffen ist der Bereich der gewerblichen Immobilienkredite (CRE-Kredite). Im September 2023 betrug das Volumen notleidender CRE-Kredite 9,7 Milliarden Euro, verglichen mit 6,2 Milliarden Euro im Vorjahr. Das entspricht einem Anstieg von satten 56 %. Damit liegt der Anteil notleidender CRE-Kredite bei 3,4 % des Gesamtvolumens – gegenüber 2,4 % im Jahr zuvor.
Im Gegensatz dazu zeigt sich der Wohnimmobilienmarkt stabil. Dort gingen die notleidenden Kredite sogar leicht zurück – von 2,9 Milliarden Euro auf 2,8 Milliarden Euro. Das verdeutlicht, dass die aktuellen Turbulenzen fast ausschließlich die gewerbliche Finanzierung betreffen.
Makroökonomische Risikofaktoren
Die Ursachen für den Anstieg der NPLs sind vielfältig und tief in den makroökonomischen Rahmenbedingungen verwurzelt.
Zum einen haben die massiv gestiegenen Zinsen die Finanzierungskosten nach oben getrieben. Der deutsche Leitzins, der Anfang 2022 noch bei unter 0,5 % lag, erreichte Ende 2023 einen Wert von 4,5 %. Diese Entwicklung hat viele Kreditnehmer kalt erwischt, insbesondere solche mit variablen Zinssätzen oder auslaufender Zinsbindung.
Parallel dazu hat die hohe Inflation die Mieten, Baukosten und Verwaltungsausgaben verteuert. Gerade im gewerblichen Sektor führt das zu erheblichen Liquiditätsproblemen. Hinzu kommen die stark gestiegenen Energiekosten, die zusätzlich auf den Budgets lasten.
Ein weiterer Faktor ist die allgemeine wirtschaftliche Unsicherheit. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagniert, während die Arbeitslosenquote steigt. Studien zeigen klare Zusammenhänge: Ein Rückgang des BIP korreliert negativ mit der Stabilität von Krediten, während eine steigende Arbeitslosenquote positiv mit dem NPL-Volumen zusammenhängt.
Die Rolle sinkender Immobilienwerte
Ein zentrales Problem liegt in den stark gesunkenen Immobilienwerten. Über Jahre hinweg waren die Preise für Bürogebäude, Handelsflächen und Logistikobjekte gestiegen, nicht zuletzt aufgrund der extrem günstigen Finanzierung. Seit 2022 stagniert dieser Trend jedoch – und in vielen Fällen sind die Werte sogar rückläufig.
Besonders betroffen sind B- und C-Lagen sowie Objekte mit schlechter Energieeffizienz. Während Top-Immobilien in München, Frankfurt oder Hamburg ihren Wert einigermaßen halten, sind weniger gefragte Standorte von deutlichen Wertverlusten geprägt.
Das hat gravierende Folgen: Wenn die Immobilienwerte sinken, steigt die Loan-to-Value-Ratio (LTV), was wiederum zu Covenant-Brüchen führt. Kreditnehmer müssten zusätzliches Eigenkapital einbringen, können dies aber in vielen Fällen nicht. Die Konsequenz: Der Kredit gilt als ausfallgefährdet und wird zum NPL.

Stillstand am Transaktionsmarkt
Ein weiteres alarmierendes Signal ist der dramatische Rückgang des Transaktionsvolumens. Während 2021 noch rund 111 Milliarden Euro in deutsche Gewerbeimmobilien investiert wurden, fiel das Volumen 2022 auf 80 Milliarden Euro und 2023 sogar auf nur noch 32 Milliarden Euro.
Dieser Stillstand lähmt den gesamten Markt. Verkäufer zögern, weil sie keine massiven Preisabschläge hinnehmen wollen, während Käufer abwarten, um nicht zu teuer einzusteigen. Banken wiederum halten sich zurück, da die Risiken schwer kalkulierbar sind.
Die Folge ist eine gefährliche Spirale: Weniger Transaktionen bedeuten weniger Liquidität, was die Bewertung von Immobilien erschwert und die Risiken weiter erhöht.
Einzelhandelsimmobilien in der Krise
Der stationäre Einzelhandel leidet schon seit Jahren unter dem wachsenden Druck des Onlinehandels. Die COVID-19-Lockdowns haben diesen Trend noch verstärkt. Eine aktuelle Studie von PwC zeigt, dass rund 34 % der deutschen Einkaufszentren als unhaltbar eingestuft werden. Zudem gaben 61 % der Befragten an, Einkaufszentren zu besuchen, ohne dort tatsächlich einzukaufen.
Die Leerstandsquoten liegen bei 15–20 %, während Neuvermietungen oft nur mit einer Reduktion der Quadratmeterpreise um durchschnittlich 16 % möglich sind. Das führt zu sinkenden Einnahmen und erhöht das Risiko, dass Kredite nicht mehr bedient werden können. Kreditgeber sind daher bei der Finanzierung von Einzelhandelsimmobilien zunehmend zurückhaltend.
Büroimmobilien im Strukturwandel
Auch der Büroimmobilienmarkt steht unter Druck. Laut einer Studie aus 2023 arbeiten Arbeitnehmer inzwischen mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit im Homeoffice. Rund 78 % der Arbeitgeber planen, ihre Büroflächen in den kommenden Jahren um mindestens 20 % zu reduzieren.
Das hat drastische Folgen: Über 50 % der Büroflächen in Deutschland stehen bereits leer oder werden nur teilweise genutzt. Besonders ältere Objekte in B- und C-Lagen, die nicht den Anforderungen an Nachhaltigkeit und Energieeffizienz entsprechen, verlieren rapide an Attraktivität.
Neue Top-Büros in Innenstädten, die ESG-Standards erfüllen, sind zwar weiterhin gefragt, doch sie machen nur einen Bruchteil des Gesamtmarktes aus.
Aufsicht und Regulierung: Die Rolle der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde
Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) spielt eine zentrale Rolle bei der Regulierung von notleidenden Krediten (NPLs). Ihre Leitlinien und Empfehlungen setzen den Rahmen, wie Banken in der Europäischen Union mit steigenden Risiken umgehen müssen. Diese Vorgaben zielen darauf ab, Transparenz zu schaffen, Risiken frühzeitig zu erkennen und das Finanzsystem widerstandsfähiger zu machen. Wer die offiziellen Dokumente der EBA studiert, erhält tiefere Einblicke in die Strategien, die künftig über den Erfolg oder Misserfolg im Immobilienfinanzierungssektor entscheiden können.Weiterführende Informationen finden Sie direkt bei der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA).
Projektentwickler und Bauträger in Schwierigkeiten
Besonders hart trifft die Krise die Projektentwickler und Bauträger. Viele von ihnen haben in den vergangenen Jahren mit komplexen Finanzierungsstrukturen gearbeitet, die auf Mezzanine- oder Nachrangdarlehen basierten. Diese Modelle funktionierten, solange die Immobilienpreise stiegen und schnelle Exits möglich waren.
Heute sieht die Lage anders aus: Die Baukosten sind gestiegen, die Bauzeiten haben sich verlängert, und potenzielle Käufer halten sich zurück. Besonders Großprojekte mit einem Volumen von über 1 Milliarde Euro finden aktuell keine Abnehmer mehr.
Die Folge sind Insolvenzen einzelner Projektgesellschaften und sogar größerer Bauträger. Damit steigt das Risiko weiterer NPLs in diesem Segment erheblich.
Unterschiede zur Finanzkrise 2007/2008
Trotz aller Parallelen zur Finanzkrise 2007/2008 gibt es wichtige Unterschiede. Damals wurden Kredite oft mit extrem hohen LTVs von 80–90 % vergeben, ohne zusätzliche Sicherheiten. Heute sind Banken deutlich vorsichtiger und vergeben Kredite mit niedrigeren Beleihungsquoten. Zudem gelten strengere Basel-II- und Basel-III-Regeln, die Banken verpflichten, mehr Eigenkapital vorzuhalten.
Das bedeutet: Auch wenn die Zahl der NPLs steigt, ist ein vollständiger Kollaps des Bankensystems wie 2008 weniger wahrscheinlich. Dennoch sind die Risiken hoch und dürfen nicht unterschätzt werden.
Fazit
Die gewerbliche Immobilienfinanzierung in Deutschland befindet sich in einer kritischen Phase. Der Anstieg der Non-Performing Loans (NPLs) um 56 % im Jahr 2023 zeigt deutlich, wie groß der Druck auf Banken, Investoren und Entwickler ist. Besonders Einzelhandels- und Büroimmobilien stehen im Fokus der Krise.
Trotz aller Risiken bietet die Situation Chancen: Wer jetzt klug agiert, kann von Preisabschlägen, Portfolioverkäufen und neuen Finanzierungsstrategien profitieren. Klar ist jedoch: Ohne Anpassung an die veränderten makroökonomischen Bedingungen und eine konsequente Neuausrichtung der Investitionsstrategien wird es für viele Marktteilnehmer schwer, die kommenden Jahre zu überstehen.
FAQs zur gewerblichen Immobilienfinanzierung und NPL-Krise
Was sind Non-Performing Loans (NPLs)?
Non-Performing Loans, kurz NPLs, sind Kredite, bei denen der Kreditnehmer seine Zahlungen über einen Zeitraum von mehr als 90 Tagen nicht geleistet hat oder die Rückzahlung als unwahrscheinlich gilt. Sie gelten als notleidend und stellen für Banken ein hohes Risiko dar, da sie die Bilanzqualität verschlechtern.
Warum steigen die NPLs in Deutschland gerade jetzt so stark an?
Die Ursachen liegen in den gestiegenen Zinsen, der hohen Inflation, den gestiegenen Baukosten und der gesunkenen Nachfrage nach Gewerbeimmobilien. Zusammen führen diese Faktoren dazu, dass viele Kreditnehmer ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen können.
Welche Rolle spielen Immobilienwerte bei NPLs?
Sinkende Immobilienwerte erhöhen das Risiko von NPLs, da die Loan-to-Value-Ratio (LTV) steigt. Wenn der Immobilienwert fällt, übersteigt die Kreditsumme schnell den tatsächlichen Marktwert – was zu Covenant-Brüchen führt und Kredite notleidend macht.
Warum sind Büroimmobilien besonders gefährdet?
Der Trend zum Homeoffice hat die Nachfrage nach Büroflächen massiv reduziert. Viele Unternehmen verkleinern ihre Flächen um 20 % oder mehr. Ältere Objekte in schwächeren Lagen verlieren dadurch rapide an Wert.
Weshalb geraten Einzelhandelsimmobilien so stark unter Druck?
Der Boom des Onlinehandels und die Folgen der COVID-19-Lockdowns haben zu steigenden Leerständen und sinkenden Mieten geführt. Eine PwC-Studie zeigt, dass 34 % der Einkaufszentren in Deutschland als unhaltbar gelten.
Wie reagieren Banken auf die steigenden Risiken?
Banken sind verpflichtet, strengere Eigenkapitalpuffer vorzuhalten und Kredite schneller als NPLs einzustufen. Zudem überlegen viele, ihre Kreditportfolios an spezialisierte Investoren zu verkaufen.
Sind Vergleiche mit der Finanzkrise 2007/2008 gerechtfertigt?
Teilweise ja. Zwar ähneln die aktuellen Entwicklungen der damaligen Situation, doch die Bankenlandschaft ist heute besser reguliert. Höhere Eigenkapitalquoten und strengere Aufsichtsregeln machen einen kompletten Kollaps unwahrscheinlich – die Risiken bleiben aber erheblich.
Wie können Investoren von der aktuellen Lage profitieren?
Investoren, die bereit sind, in Distressed Assets zu investieren oder NPL-Portfolios zu erwerben, können von den niedrigen Preisen profitieren. Allerdings ist dazu umfassendes Marktwissen und eine klare Strategie notwendig.
Welche Regionen in Deutschland sind besonders betroffen?
Am stärksten leiden B- und C-Lagen mit schlechter Infrastruktur und niedriger Nachfrage. In Top-Städten wie München, Frankfurt oder Hamburg bleiben Immobilien stabiler, doch auch dort gibt es Abwertungen.
Wie sieht die Prognose für 2024/2025 aus?
Es wird erwartet, dass das Volumen der NPLs weiter ansteigt, insbesondere im Bereich der gewerblichen Immobilienfinanzierung. Eine Welle von Kreditportfolioverkäufen wie nach der Finanzkrise ist möglich, wenn auch nicht in gleichem Ausmaß.
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